Vor nicht allzulange Zeit habe ich mich hier fremdgeschämt. Für Unternehmen, Organisationen, Einzelpersonen, die scheinbar reflexartig auf Betroffenheitszüge (Ukraine, Metoo, Klima, Gaspreisexplosion, pfft, eigentlich geht fast alles) aufspringen und sich angefasst und/ oder engagiert zeigen, um als echt und wahr und nah und authentisch und was weiss ich wahrgenommen zu werden; im Idealfall so, wie es die Kunden erwarten und gut finden.
Und weil anscheinend sehr viele Simon Sinek fehlverstanden haben und liebendgerne eine Brandingabkürzung nehmen, gibt es dafür anscheinend schon länger ein rauf und runter durch die Berater-Arena gejagtes Buzzwort, dem ich erst kürzlich begegnet bin, das mir aber schon jetzt richtig auf den Zeiger geht: Purpose Marketing.
Purpose Marketing – so die Verkaufsstory – beschreibt eine Marketingkommunikation, die Themen aufgreift, die potenziellen Kunden am Herzen liegen und durch Unternehmen in deren Meinungsrichtung ausgelegt werden (<<< so erklären es passenden Agenturen tatsächlich); in Wort, Bild und Handlung Motto: Setz dich für Etwas ein, das deinen Kunden viel bedeutet. Warum? (Trapstraps) Keine Ahnung. Hauptsache es passt gut in die Filterblase der Zielgruppe. Und lässt dich etwas von ihrer „Liebe“ abgreifen.
Mensch, Mensch, Mensch…. Wenn das wenigstens seinen Ursprung in Bolz´schen Sinnüberlegungen und der Mär davon hätte, dass Marken Menschen in einer komplexen Welt Hilfe und Orientierung bei der Sinn-und Identitätsfindung geben und deshalb in gesellschaftlichen Prozessen intervenieren müssen, um Markentribes um sich zu scharen. Dann hätte die Titelgebung (Purpose = Zweck) einen Sinn und eine inhaltliche Nähe zum Goldenen Zirkel und dem Selbstbild als Ausgangspunkt allen Handelns. Aber hier ist es fast immer nicht die Marke, aus deren Haltung das Handeln und sein Stil abgeleitet wird, sondern das Selbstbild Dritter, das gesellschaftliches Trensurfing und Purposehopping erzwingt. Und die Marke extrem gefährdet.
Denn tatsächlich muss sie bestimmen, ob etwas zu gesellschaftlichen Strömungen zu sagen ist. Und dann determinieren, was dazu zu sagen ist. Aus ihr selber heraus, ihrem Selbst-Bild und ihrer Position heraus. Nicht umgekehrt. Denn dann ist sie schnell beliebig, uneindeutig, verfahren, getrieben; dann kann man sie nur noch als fraktal bezeichnen (kennt den Begriff noch jemand?) und dann ist sie kurz vor der Belanglosigkeit.
Mein Rat an dich, liebe Marke: suche nicht Purposemarketinganlässe in der Welt. Wenn Du Dich selber kennst, dann kennst Du auch deinen Purpose und musst gar nicht überlegen, wie du dich verhältst…