„Das böse Facebook hat mal wieder die Algorythmen gändert. Denn es ist ganz gemein geldgierig. Pfui! Schäm´dich, Facebook!“ Sicher: so oder ganz ähnlich formuiert kann man die Sache sehen, klar. Mit etwas Abstand, einem Schluck Entdämonisierung intus und aus der Vogelperspektive besehen ist es aber auch möglich, anders darüber nachzudenken. Finde ich.
Nämlich beginnend mit der Frage, ob Facebook nicht einfach nur ein ganz normaler (ok, ein sehr erfolgreicher) Anbieter von (ob legal oder nicht zusammengestelltem) user generated Content ist, der das Ganze so erfolgreich wie möglich monetarisieren will. So wie andere Aufmerksamkeitsaggregatoren (ob Verlagsmedien, Influencer, Marken, egal) das eben auch tun. Und dann bewertet man das Ganze erheblich emotionsloser und kann vielleicht einfach akzeptieren, dass die Social Media Revolution gar keine originäre Veränderung, sondern Folge der ubiquitären Entmaterialisierung der Welt war und ist und die passenden Plattformen einfach das sind, was sie schon immer sind: Plattformen „(…) voll mit Werbung für Produkte und Dienstleistungen (…). So ähnlich wie die üblichen Online-Plattformen der Tageszeitungen, auf denen man unter all der Werbung den eigentlichen Artikel immer schwerer findet.“
Das kann man wie Beilharz (von ihm stammt das vor- und auch das nachstehende Zitat, Link steht oben) beweinen. Man kann. Die Aussage, dass es damit aber ausgemachte Sache ist, dass „(…) all die Inhalte, die Facebook eigentlich so interessant gemacht haben, verschwinden könnten“, wie er weiter ausführt, kann man aber eigentlich nicht akzeptieren. Denn warum sollte das so sein, wo der Algorythmuswechsel hat ja nicht zu einer Veränderung der Welt geführt hat und es bei der Knappheit von Aufmerksamkeit bleibt, die Menschen wie Marken für sich bestmöglich ausnutzen müssen um Inbounderfolge feiern zu können; und zwar über Owned, Paid und Earned Media und nun halt nur etwas mehr über Paid und vielleicht erstmal etwas mühsamer über Earned Media?
Aber auch wenn die Herleitung nicht stimmig ist, beinhaltet der bis hier her (hatte ich ursprünglich gar nicht vor) ablehnend diskutierte o.g. Artikel auch ganz viel Richtiges. Insbesondere die Liste der 7 Lösungswege (z.B. „Nutzt Stories“, „Agiert mit privaten Profilen“, „Engagiert Euch in Gruppen oder gründet sie gleich ganz“, „Verwendet Messenger“), wie mit eingeschränktem Zugang zu generischer Reichweite umzugehen ist, gefällt mir und führt mich zu meinem eigentlichen Punkt: Neben dem Reichweiteneinkauf (hey, auch die benannte Rotariergruppe wird zuweilen mal in die Mediaeinkauftasche greifen müssen, wenn Sie breiter gestreut gehört werden will) gewinnen Owned Media und die aktive Kommunikation und Vernetzung tatsächlich und endlich wieder (ich fand die ganzen „die Homepage ist tot“-Gurus immer schon seeeehr kurzsichtig und langsam merken sie`s selber!) an Bedeutung. Denn das was auf auf eigenen Home- und Landingpages, individuellen Profilen, Unternehmensaccounts gesendet wird nun wieder mehr denn je Schlüssel zur Reichweite in Earned Media darstellen: zu Messenger-Verteilern, geschlossenen Gruppen, zu Foren, zu Communities. Motto: Hier bin ich (Unternehmen) ich, muss ich sein, muss ich Inhalte anbieten, Identität beweisen und etwas von mir preisgeben, dass Aufmerksamkeit generiert und idealerweise Dritten hilft gleiches zu schaffen.
Das zahlt perfekt auf das ein, was ich dem, digitalen sozialen Leben eh schon länger prophezeihe: es wird sich mehr und mehr aus dem Offenen zurückziehen. Denn nicht nur wird dessen Reglementierung zunehmen, sondern auch der Druck zu sehr steigen, den es verursacht, ständig mit der breiten Öffentlichkeit im Austausch zu stehen, dass ein Rückzug ins Private, also in die Filterblase, alternativlos wird. Un das werden sich Unternehmen zu Nutze machen. Hierzu nochmals ein Zitat aus dem schon mehrmals zitierten und verlinkten Artikel: „Ich gehe davon aus, dass das immer mehr Unternehmen erkennen werden und eigene Gruppen aufbauen. Je nach Unternehmen kann das in Form von Branded Communities geschehen (ADIDAS macht das zum Beispiel so), aber auch in Form von nicht-gebrandeten Gruppen, bei der das Unternehmen „nur“ als Inhaber und/oder Moderator fungiert. Damit schafft das Unternehmen eine werbe-unverdächtige Plattform, bei der sie gezielt Werbung einstreuen kann (ohne mit Fremdwerbung konkurrieren zu müssen).“ Erinnert das nicht an ein Manifest aus dem Jahr 2001 oder so, das in Teil 3 genau Derartiges beschreibt? Mich schon. Bei Interesse bitte lesen.
Letztendlich geht es also zukünftig mehr den je neben dem Reichweitenkauf um die Organisation von und Einbindung in Gemeinschaften: in eigenen oder fremden Foren, Gästebüchern, Mailinglisten, Diskussionsgruppen, Messengergruppen, Kommentaren, Gastbeiträgen Und dazu ist es notwendig, das eigene Sein, Denken und Handeln konsistent auszugestalten und auf optimiertes Aufmerksamkeitsmanagement auszurichten, also auf die Teilnahme an und in Communities hin zu designen…
Auch ja: Lesetipp.