Pokemon go – fast wie ein Wirbelsturm katapultierte es die Welt nach draussen. In Lima, Duisburg Marxloh und überall sonstwo gleichermaßen wurden Ungeheuer in der Zwischenwelt, besser: Doppelwelt von Realität und Virtualität, gejagt. Das ebbte dann ganz schnell wieder ab, aber das Ganze war ja nur ein Vorbote der Zukunft. Wie drückte es kürzlich Tim Cook aus?
„Augmented Reality wird noch etwas Zeit brauchen, denn es gibt da einige wirklich komplizierte technologische Schwierigkeiten. Aber es wird passieren, und es wird mit einem Paukenschlag geschehen. Und wenn es das tut, werden wir uns fragen, wie wir je ohne leben konnten. Genau wie wir uns wundern, wie wir jemals ohne unser Handy leben konnten.“
Diesen Sommer erfolgt er noch nicht, dieser Paukenschlag, aber der Pokemon Go-Nachfolger – ein Harry Potter-AR-Spiel – wird uns diesen Sommer wieder alle zu langen Spaziergängen nötigen. Das wird Spaß machen. Und irgendwann noch viel später können wir in der Landschaft, die wir aus dem Autofenster sehen, vielleicht Fortnight live spielen und auch das wird uns Spass machen. Und dann – noch viel später – sitzen wir mit Oma im Café, obwohl sie schon seit jahren nicht mehr lebt. Und das wird erst recht genial sein.
Und nur manchmal, so ganz klein zwischen all dem ganzen Spass und den vielen Lebenserleichterungen, die AR, VR und AI (erst recht, wenn sich das alles vermischt) uns bringen werden, werden wir ein dumpfes Gefühl spüren, dass da irgendetwas nicht stimmt, nicht passt, nicht zuende gedacht ist. So wie wir das heute auch schon manchmal späten, wenn unsere 11jährigen nicht mehr vom Handy lassen können, Cambridge Analytics die US-Wahl beeinflusst, ohne Doodle keine Termine mehr zustande kommen oder Onlinesucht als Krankheit anerkannt ist. Und Übermorgen reden wir dann von Simulatior-Krankheit, von Halo-Effekten von Real nach Virtuell und zurück oder virtuellen Kriegen. Und dann fängt es grade so richtig an, spaßig zu werden, das Mulmige im Bauch. Süddeutsche Zeitung: „Wer weiß, was passiert, wenn KI, Robotik und VR zusammenwachsen? (…) Wenn man einem humanoiden Avatar begegnet, der sich in fehlerfreiem Deutsch und dem Wissen von IBM-Watson mit einem unterhält?“ Dann entstünden „robuste soziale Halluzinationen“, die einen verstören könnten.
Naja, der Zug rollt, verhindern werden wir nichts können. Und vielleicht wäre das ja auch ein Fehler. Wer weiss das schon. Schlau und empfehlenswert ist es deshalb aber in jedem Fall, wach und wachsam und kritisch optimistisch zu sein. Und vielleicht mit der Lektüre dieses Buches zu Beginnen: Smarte neue Welt, von Evgeny Morozov. Hier beschreibt er eine relativ neue Ideologien, die sich aus grundsätzlicher Technikgläubigen gegenüber der allgemeinen Digitalisierung entwickelt hat: den Solutionismus, der vorherrschender Lösungsansatz dann wirkt, wenn es darum geht, eine Lösung für eine Aufgabe oder ein Problem zu finden, der zudem immer häufiger durch einen Internetzentrismus noch verstärkt werde. Morozov mahnt an, dass wir alle auf dem Weg einer ungesunden Fixierung auf digitale Lösungen seien. Ein Blick in das Buch lohnt sich. Darum und wegen dem Vorstehenden: bitte lesen!