Heute: Touchpoint Management
Management umfasst mit Organisation, Planung, Zielsetzung, Entscheidung, Delegation, Koordination, Information, Mitarbeiterbewertung und Kontrolle die dispositiven Produktionsfaktoren und bestimmt über den Einsatz und die Kombination der Elementarfaktoren; im Dienstleistungsbereich insbesondere die Verbindung der menschlichen Arbeit mit den anderen Potential- und Repetierfaktoren und natürlich dem externen Faktor.
Soweit die Gutenbergsche Theorie, mit deren Hilfe große Teile der Managementlehre weithin wirksam die integrative Leistungserstellung am Berührungspunkt von Angebot und Nachfrage auch heute noch als weitgehend beherrschbar erscheinen lassen. Zu diesen Zweck wurde darauf aufbauend sogar vor einigen Jahren eines der schillerndsten Marketing-Unworte der letzten Jahre erfunden – das Wort „Touchpoint Management“, das suggeriert, das immaterielle, kommunikationsbasierte Leistungserstellung auch heute noch gesteuert, angeleitet, standardisiert koordiniert werden können; durch Gesprächsleitfäden, Handlungsrichtlinien, Flachbildschirmrückseitenberatungsanleitungen, am Ende sogar mit Hilfe KI-gesteuerter Maschinen, in jedem Fall aber: durch Führungsvorgaben.
Tatsächlich?
Auch heute noch?
Mitten in der Postmoderne?
In einer Welt, die nicht mehr ordentlich strukturiert, erklärbar, beherrschbar ist?
Einer Welt, die unendlich vielschichtig, komplex, kaum entschlüsselbar, oft bedrohlich, mitunter das reinste Chaos darstellt?
In der es endgültige Lösungen nicht mehr gibt?
In der alles, was wir tun, Folgen hat?
Sofort und hochradig komplex, da jede Entscheidung, jede Handlung von Menschen jederzeit andere Entscheidungen im Jetzt oder der Zukunft beeiflusst; unsere eigenen und sogar die von Menschen, die wir gar nicht kennen. Und umgekehrt.
Natürlich nicht.
Interaktion an Touchpoints kann in einer solchen, zunehmend entmaterialisierten Welt nicht gemanagt, sondern muss immer wieder neu gelebt werden und zwar in dem Wissen das sie jeweils immer nur einen Moment in einer schier unedlichen und unendlich verzweigten interdependenten Sequenz von Ankontaktpunktenaufeinandertreffen von Subjekten darstellt. Sie kann immer seltener bis nicht mehr zentral organisiert, geplant, koordiniert, also gemanagt werden, sondern muss sich in einem Korridor von komplexitätreduzierenden Mustern aus diesen heraus am externen Faktor selbstorganisiert reproduzieren. Durch Subjekte, durch Menschen, im Rahmen der Leistungserstellung, also auch und gerade nicht (an-)geleitet durch den dispositiven, sondern durch und mit dem Elementarfaktor menschliche Arbeitskraft.
Marke ersetzt heute große Teile des dispositiven Faktors, indem sie den notwendigen Musterkorridor zur Verfügung stellt, der der individuellen und situationalen Ausgestaltung von Haltung, Leistung und Stil im Produktionsfaktor Arbeit den notwendigen postmodernen Rahmen zur Verfügung stellt, innerhalb dessen sie in Interaktion mit dem externen Faktor Dienstleistung erstellt. Touchpoints können m.E. somit sicherlich auch weiterhin als Berührungspunkte verstanden werden (das bringt eine dringend benötigte Sanftheit in den betriebswirtschaftlichen Kontekt), allerdings nur dann, wenn akzeptiert wird, dass sie nicht konstruktivistisch gedacht und durch Management (fern-) gesteuert ausgestaltet werden können, sondern als „micromoments of brand experience“ (den Begriff haben ich vor 2 Jahren erstmals hier entdeckt) verstanden und immer wieder neu in Interaktion (er-) lebbar gemacht müssen.